Mittwoch, 28. Oktober 2009

Ein Päckchen aus London

Nun ist es endlich da, das Päckchen aus London, von RareNoise. Etwas verzögert freilich, die britische Post hatte gestreikt. Im Päckchen befindet sich der gesamte bisherige Katalog des noch jungen Labels, ganze fünf Digipaks, darunter drei Alben, eine EP und eine CD/DVD. Noch am Wochenende musste Giacomo Bruzzo einige wartende Kunden per Mail beruhigen, die meist jugendlichen  Buckethead-Fans in den Staaten scharrten bereits etwas unruhig mit den Hufen. Die letzte Tranche am 15. Oktober enthielt nämlich neben dem Debütalbum von Parched auch das lange ersehnte "Torn from Black Space" von Death Cube K (einem Anagram von Buckethead). Somit sind bis auf das neue Album von Somma bereits alle Veröffentlichungen erhältlich, die mit dem Promo-Sampler angeküdigt waren. Grund genug für Optinal Mittelgrund, sich RareNoise etwas genauer anzuschauen.

Die erste Veröffentlichung des Labels war das Debütalbum des Projektes Meditronica um den Bassisten Andrea Nicoletti (besser bekannt als Ashtech) und den Keyboarder Paolo Polcari. Die beiden hatten bereits vor zehn Jahren gemeinsam bei der neopolitanischen Gruppe Almamegretta musiziert. Meditronica kann man als mediterrane oder meditative Electronica auslegen, die Entscheidung liegt beim Hörer. Das unbetitelte Debüt ist auch maßgeblich von Labelgründer Eraldo Bernocchi beeinflusst, der bei etwa der Hälfte der Stücke an der Gitarre zu hören ist. Darunter fällt auch der letzte Track des Albums, "Mare Nostrum", sowie das Highlight des Albums, "The Third Planet". Drei Songs gehen in etwas andere Gefilde und beinhalten Gesang von Raiz und Poppy Kinloch.

The Mantra Above the Spotless Melt Moon sind eine Rockband aus Neapel, die zu ihren Vorbildern die verschrobenen Radiohead, die Schotten von Mogwai, die aus Montreal stammenden Silver Mt Zion (ein weniger bekannter Ableger der legendären Formation Godspeed You! Black Emperor), die düster-verträumten Sigur Ros aus Island, die Altprogger von Genesis sowie den Jazz-Kontrabassisten Charlie Mingus zählen. Interessante Mischung, möchte man meinen. Die Musik der EP ist auch durchaus mit den besonders aus Kanada stammenden Vertretern des Postrock zu vergleichen. Unüblich in diesem Zusammenhang ist der weibliche Gesang sowie der bewusste Einsatz von Elektronik, was der ansonsten vertrauten Atmosphäre aber einige neue Aspekte abgewinnen kann. Bislang war die Gruppe nur auf einem Split-Release mit der Postrock-Truppe God Is An Astronaut aus Irland in Erscheinung getreten. Die zwei damals veröffentlichten Stücke sind auch auf dieser EP enthalten, ein Studioalbum soll bald folgen. Wir hoffen auf mehr Material im Sinne des Titelstückes!

Method of Defiance blicken bereits auf eine etwas längere Historie zurück: Das von Produzent und Bassist Bill Laswell und dem als Submerged bekannten Produzenten Kurt Gluck gegründete D'n'B-Projekt legt mit "Nihon" bereits sein drittes Langwerk vor. Submerged war hier erstmals nicht direkt beteiligt, das Album entstand im Gegensatz zu den beiden Vorgängern nicht in Sessionarbeit mit verschiedensten Künstlern, sondern live mit einer "richtigen" Band. Diese setzte sich aus den vertrauten Laswell-Kollaborateuren Bernie Worrell, Toshinori Kondo, Doctor Israel und Guy Licata zusammen, die zum Teil auch schon an den ersten beiden Alben beteiligt waren. Die "Nihon"-DVD bietet zwei Live-Mitschnitte von Konzerten in Japan aus dem Jahre 2007, die CD beinhaltet die Tonspuren des zweiten Mitschnittes. Mit leicht geändertem Line-Up waren Method of Defiance auch 2009 unterwegs.

http://www.methodofdefiance.com

Mit "Torn from Black Space" wird eine Tradition fortgesetzt, die bereits 1994 mit "Dreamatorium" begann: Damals hatten sich Gitarren-Weirdo Buckethead und sein Entdecker Bill Laswell erstmals zusammengefunden um ein düsteres Ambientwerk aufzunehmen. Da Buckethead im selben Jahr bereits sein zweites Studioalbum "Giant Robot" auf Sony veröffentlicht hatte und deshalb vertraglich gebunden war, musste das Duo auf einen anderen Namen ausweichen. Man entschied sich für ein Anagram, das bestens zum Projekt passte: Death Cube K. "Disembodied" folgte 1997 und zwei Jahre später, jetzt ohne Laswell, dafür aber mit seinem neuen Produzenten Travis Dickerson legte Buckethead das eher enttäuschende "Tunnel" vor. Bis 2007 wurde das Projekt anschließend in die Mottenkiste verbannt, bevor es mit gleich drei Projekten wiederbelebt wurde: In Kleinstserie waren "DCK" (handbeschriftet vom Künstler selbst und auf 400 Exemplare limitiert) sowie das so furiose wie rätselhafte Set "Monolith" erhältlich. Außerdem traten erste Gerüchte über "Torn from Black Space" in einem Artikel über Submerged zutage. Damals ahnte niemand, dass es noch mehr als zwei Jahre bis zur Veröffentlichung des neuen Albums mit Bill Laswell und eben Submerged dauern sollte, man hielt vorübergehend sogar das kryptische "DCK" für das mit Spannung erwartete Werk. Nun ist es da, "Torn from Black Space" und es ist ganz so, wie Submerged es schon 2007 angekündigt hatte: "I wound up on the new Death Cube K record doing strange turntable manipulations, like slowing them down with my hands, using effects and just creating ambience. It sounds like this vivid nightmare, staring into the void sort of thing, but it’s sparse, not heavy, a lot of air and space. We were inspired by a lot of Sun O))), four guys playing guitar riffs at about 5 beats per minute, and some of the new drift or drone projects happening."

Parched ist ein Projekt, bestehend aus den Gitarristen Eraldo Bernochi und dem von Ephel Duath bekannten Davide Tiso. Als Motto gibt man “God and the Devil in the Land of the Sun” an. Das Label grenzt das am selben Tag wie "Torn from Black Space" veröffentlichte Album gerne als helle Seite des Ambient ab, während Death Cube K folglich die dunkle Seite symbolisiere. Die beiden Musiker beziehen sich mit ihrem Motto nicht zuletzt auf Ennio Morricone, allerdings auch auf Ry Cooder und fügen dem Ganzen noch den Begriff "ambient guitar electronic" hinzu. Das Ergebnis pendelt irgendwo zwischen Postrock, Ambient und Dub, der geneigte Hörer hätte sich vielleicht etwas mehr Tracks im Stile des Highlights "No One in the Playground" erhofft, das mit geradzu genialem Einsatz von Gitarrensamples fasziniert.

Bleibt noch Somma, ein weiteres Projekt um Mastermind Eraldo Bernocchi, das bereits 1995 und 2007 je ein Album veröffentlichte. An beiden waren bereits Petulia Mattioli und Bill Laswell beteiligt, auf "23 Wheels Of Dharma" werden außerdem Schlagzeuger Hamid Drake, Trompeter Nils Petter Molvaer, der auch auf Meditronica vertretene Sänger Raiz, das süditalienische Vokaltrio Faraualla, der experimentelle Sänger Lorenzo Esposito Fornasari sowie sieben tibetanische Mönche zu hören sein. Das Album erscheint im nächsten Monat, am 15. November. Für die Zukunft is außerdem ein weiteres Album des Projektes Charged angekündigt. Dieses setzte sich zuletzt aus Bernocchi, Laswell und Kondo sowie live zusätzlich aus Aiyb Dieng, DJ Disk und Hamid Drake zusammen. Wir sind gespannt!

Hörproben zu allen Projekten sowie weitere Infos direkt beim Label:
http://www.rarenoiserecords.com

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