Sonntag, 5. Dezember 2010

Stellungnahme zur „Kloster Kräuter Mischung“ von EDEKA

Mit Verbraucherschutz haben wir uns in diesem Blog schon längere Zeit nicht mehr befasst. Hier haben wir aber ein schönes Beispiel, wie Konsumenten heute allerorts für dumm verkauft werden. Den nachfolgenden Text verbreiten wir mit freundlicher Genehmigung der Forschergruppe Klostermedizin der Universität Würzburg:

EDEKA hat in Eigenmarke eine „Kloster Kräuter Mischung“ herausgebracht, die angeblich (Zitat) „aus der ORTUS SANITARIS“ von 1517 komponiert worden ist und in der Tradition der Hildegard von Bingen stehen soll. Oh weh! Was ist hier falsch?

Erst einmal der Titel des Werkes: Es sollte natürlich „HORTUS“, also „Garten“ heißen, auch wenn nach der damaligen Schreibweise tatsächlich „Ortus“ dasteht. Abgesehen davon ist Hortus (und auch Ortus) maskulin, deshalb müsste hier unbedingt „aus dem Ortus“ stehen. Und „SANITARIS“ ist auch falsch (sanitas, sanitatis = die Gesundheit), selbstverständlich heißt der wirkliche Titel: [H]Ortus sanitatis. „t“ wird oft ohne Oberlänge geschrieben bzw. gedruckt und ist deshalb leicht mir „r“ zu verwechseln. Aber jeder, der sich auch nur ein wenig auskennt, weiß das.

Tatsächlich gibt es einen Nachdruck von 1517. Das Werk stammt aber ursprünglich aus dem Jahr 1491 und wurde bei Jacob Meydenbach in Mainz gedruckt und verlegt. Der lateinische Text stammt wahrscheinlich von dem Mainzer Medizinprofessor Peter von Viersen. Vorlage war der in deutscher Sprache verfasste „Gart der Gesundheit“ (Mainz 1485), der um tierische und mineralische Substanzen erweitert und mit dem „Buch der Natur“ des Konrad von Megenberg, dem Herbarium des „Pseudo-Apuleius“ und einer Fassung des ‚Circa instans‘ aus Salerno verbunden wurde.

Mit der Hildegard-Tradition hat der Hortus Sanitatis fast nichts zu tun, abgesehen davon, dass sich im deutschen „Gart der Gesundheit“ einige winzige Text-Stellen aus der ‚Physica‘ der Äbtissin befinden, aber ohne Angabe der Autorin, während ansonsten in der Regel mit der Angabe der Autoritäten nicht gespart wird. Der ‘Hortus sanitatis‘ steht vor allem in der Tradition des ‚Circa instans‘ (von Platearius), daneben werden Plinius der Ältere (‚Naturalis historia‘), sowie der ‚Canon medicinae‘ des Avicenna (Ali Ibn Sina) und der sogenannte ‚Aggregator‘ (Pseudo-Serapion), beides Spitzenwerke der arabischen Heilkunde, am häufigsten zitiert.

Eine schöne Idee wurde so unschön realisiert!

(zur Quelle)


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1 Kommentar:

  1. Deutsche Gründlichkeit in ihrer reinsten Form. Was doch wohl viel mehr interessiert: ist diese Kräutermischung nun gesundheitsfördernd oder außer einer unschön umgesetzten schönen Idee leider auch nur eine beliebige Zusammenstellung?
    Und warum wurde der Fehler nach 5 Jahren immer noch nicht behoben?

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